ARTISTSTATEMENT :
mental_im Fluß, ich arbeite an einem Werkkomplex, welches sich auf Erinnerungen, wie auch auf konkret Erlebtes basiert.
Oft serielle Arbeiten sind ein Beispiel für eine mentale Kartographie. Es sind innere wie äußere Landschaften, die sich ständig
verändern können. So betrachte ich die Welt mit all ihren topographischen, politischen und persönlichen Informationen, mit Erinnerungen wie auch ohne sie.
In den Arbeitsserien wird eine kombinierte Sicht aus unterschiedlicher Perspektive dargestellt: von oben, aus dem Mittendrin oder von unten ...
es entsteht eine mentale Landschaft mit der Faszination des endlosen Kreislaufes.
zur Person : Aus der Schnittstelle zwischen Kunst und Kartographie entwickelt Zuzanna Skiba autonome Bilder,
unterstützt vom Gedankengerüst eines Magnetfeldes, Luftbildes und der Geländeschraffur. In den surrealen WERKSERIEN
verbindet sie die Perspektiven: von oben, aus dem Mittendrin und von unten. Sie arbeitet international und betrachtet die Welt
mit topographischen, politischen und philosophischen Aspekten, ist Mitglied beim Deutschen Künstlerbund und VdBK1867;
erhielt zahlreiche Förderungen, u. a. das Arbeitsstipendium für die Residenz auf der norwegischen Insel Fruholmen
zum Thema Drama in der Landschaft am Nordkap. Innere, wie äußere Landschaften entstehen.
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Stephan von Wiese, 2022 :
DAS AUGE DENKT WEITER, zu den „mentalen Landschaften“ von Zuzanna Skiba
Die abstrakte Landschaftsmalerei thematisiert generell die unsichtbar wirkenden Kräfte in der Natur, widmet sich den inneren Energien, den Prozessen von Wachsen und Vergehen, den geheimnisvollen Magnetis-men. Die vertrauten Naturformen werden umgestaltet, aus-geschaltet, eine freie Formenwelt als Blick ins Innere der Schöpfung tritt an ihre Stelle. Als Beispiel aus der klassischen Moderne sei an das Werk des Paul-Klee-Schüler Theodor Werner erinnert, dessen Intention es war, mit seinen Bildern zu den „Triebkräften der Erde“ vorzudringen. Auch der Sur-realismus tendierte zu völlig neuen Landschaftsformen. Eine Art zweite Schöpfungsgeschichte wurde jeweils mit Imaginationskraft in Gang gesetzt. Dieser Blick ins Innere der Schöpfung, diese Evokation unsichtbarer Kräfte und Energien, diese künstlerische Formulierung von Mutations- und Transformationsprozessen ist ein Kernthema im Werk von Zuzanna Skiba. Direkte Vorbilder in der Kunstgeschichte findet man aber nicht, es sind eher die philosophischen Gedankenstränge, die verbinden. Das Werk steht automon doch eher für sich und visualisiert Denk-prozesse, die nicht vorformuliert, vorprogrammiert sind, sondern die dem eigenen Gesetz, der „inneren Notwendigkeit“ (Wassily Kandinsky) folgen. Die Bildentstehung ist ein langsamer Wachstumsprozess. Malschicht wird auf Malschicht gesetzt, Strich neben Strich.
Nach großen Zeichnungs-serien wie „Magnetfelder“ folgten hier Darstellungen von prozessualen Abläufen, mit skripturalen Elementen übersät. Seltener, Malereien mit Naturschauspielen etwa bei dem Nachtbild „Nachts kriechen die Schnecken rot“ in Mischtechnik aus Bitumen, Öl und Stift auf großer Leinwand. In den letzten Serien ist das Magnetfeld jeweils überdeckt von Farbe, wie jüngst bei der Werkserie: „Himmelsschichten“. Die mentale Landschaft gewinnt schließlich auch dreidimensionale Ausmaße zuletzt bei dem malerischen Ensemble „Planeten der Malerei“, einem Kosmos aus runden Käse-Holzschachteln, jeweils mit Ölfarbe angefüllt, oder bei der großen Raumarbeit „Vulkanische und schwimmende Landschaft“ von 2020. Landschaftsdarstellung kann schließlich auch zur Performance werden, wie im Außenraum jüngst bei ihrer Seh_Aktion „Unter den Linden, in die Höhe flaniert“ in Berlin. Der sich wandelnde dialektische Prozess im Spannungsfeld von Zeichnung und Malerei zieht sich so durchs ganze Werk.
Die Gemälde sind dabei häufig auf farbige Grundierung, meist in Pompejanisch_Rot, nach alter italienischer Manier gesetzt. Sie heben sich durch tiefdunkle, erdige Farbschichten, meist Ölfarbe, hervor, und haben eine stark haptische Materialität. So wird die Farbkruste, die sich immer wieder auf dem Farbtopf bildet, bewußt als Effekt mitverwendet. Aber auch zarte Töne aus Gouache finden sich als Gegenpol zur dunklen Erscheinungs-form auf dem Papier. Die Malerei steht dabei im Zusammenspiel mit wechselnden Lagen von verschiedenartigen skripturalen Ensembles. Diese Notationen aus Strichen und Flächen, meist in Bleistift, aber auch in Farbe, stehen auf warmen weißem Grund oder sie überdecken zart die pastose Malschicht. Sie stehen wie ein „Gedankengefüge“, so der Titel einer Zeichnungsserie, frei auf dem Papier oder auf der Malerei.
Die vorherrschenden Farbtöne des Werks sind entschieden dunkel, signalisieren eine Art Urmasse, das Schwarz und das Braun, das Erdige und das Nächtlige_Selbst heben sich kräftig hervor. Aber auch helles Blau als Himmelsfarbe oder Weiß oder Rosa als Wolkengemenge treten aus einer tiefen Dunkelheit in Erscheinung, etwa als Serie „Himmelsschichten rosa und schwarze Geländeschraffur“, ohne daß dabei die Töne bestimmte musikalische „Farbklänge“ (Kandinsky) bildeten. Auch die Farbbehandlung ist hier ein Teil des freien Experimentierens, der Sich-Herausbildens von Form aus Unförmigkeit. Das Bild wird zu einem Erprobungs- und Denkfeld, so folgend : Auge denkt weiter. Bild und Zeichnung stoßen in Ablagerung und Schichtung aus den Tiefen eines imaginären Erdreichs hervor: „Die Landschaft erhebt sich“, 2020 mit Blick ohne Perspektive oder Fixierpunkt aus ungeformter schwarzer Nacht.
Die aktuelle, über 130-teilige Zeichnungsserie aus Gouache und Bleistift „Wings“, unter dem Eindruck der Pandemie angefangen, zeigt in verschiedenster Flügelform einen doppelt gespiegelten, durch „Gedankenstränge“ zusammengehaltenen Erdball. Die Künstlerin bringt die Serie mit den Eichendorff - Versen von der Seele, die weit die Flügel ausspannt, in Verbindung. Wie häufig bei Zuzanna Skiba, ist der Sprung zur Poesie nicht weit. So lassen sich ihre dunklen Bilder in dem nächtlich schimmerden Rembrandt Licht mit der Novalis-Metapher vom „Bergwerk der Seele“ im Roman Heinrich von Ofterdingen, 1800 verbinden. Auch die Gestalt des Landvermessers K. in Kafkas Roman „Das Schloss“ baut eine Brücke zu den kartographischen Ursprung des Werks von Skiba denken.
Vor dem Kunststudium hat Zuzanna Skiba als ausgebildete Kartographin mit Luftbildern, Atlanten und Geländeschraffuren gearbeitet. Diesem Impetus ist ihr Weg dann auf völlig andere Weise gefolgt. Die Künstlerin spricht heute von ihren abstrakten Landschaften, wurden zu einem poetischen Feld für Veränderung, wurden zur Metapher diverser Perspektiven.
Skiba: „Es entsteht eine mentale Landschaft mit der Faszination des endlosen Kreislaufes.“
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Christoph Tannert, 2016 :
Zuzanna Skiba ist freilich keine Schwarzmalerin, sondern eher eine fundamental denkende Formenverdichterin,
die ihre Sprache über das Stadium der Reife hinaus mehr und mehr radikalisiert. Die Farbe Schwarz, zuweilen in ein samtenes Schwarzbraun übergehend,
ist diesbezüglich mit einem Prozess der Transformation verbunden.
Sie lässt sich als Mittel zur Grenzüberschreitung deuten - vom Materiellen zum Spirituellen,
vom Bewussten zum Unbewussten. Dieses Nicht-Wissen als eine Form von Reinigung wiederum ist Voraussetzung für einen Wandel.
"Shut your eyes and see", heißt es bei James Joyce im ersten Kapitel seines „Ulysses“.
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Dorothée Bauerle-Willert, 2016 :
„So geschmeidig, so schwerelos und so ungewiß der Strich auch sein mag, er verweist immer auf eine Kraft, eine Richtung; er ist ein energon,
eine Arbeit, die die Spur ihres Triebs und ihrer Verausgabung aufzeigt.“ Roland Barthes
Was ist eine Linie? Jede, auch die einfachste Linie umgreift ein Doppeltes: Sie ist Spur einer Bewegung, die im Ziehen der Linie besteht, Abbild einer Geste. Andererseits schafft jede Linie, das Spiel des Lineaments, ihre Bündelung, Verwebung, ihre wechselseitige Kommunikation, ein Anderes, eine eigenständige, nie gesehene Welt.
Die Zeichnung verweist zurück auf die Energie des Zeichners und auf die Richtung zu dem Anderen: Attraktion und Verausgabung, Hinwendung zu sich selbst und zu dem Gegenstand, der durch die Wahrnehmung hindurch sich als inneres geistiges Bild konfiguriert, um wieder ein anderes zu werden, wenn der Stift auf dem Papier aufsetzt.
Zuzanna Skibas komplexe, ausgreifende Zeichnungen siedeln in diesem Zwischenraum. Aus ganz unspektakulär Strich an Strich gesetzten Linien ergeben sich pulsierende, vibrierende Gebilde, das Ganze und seine Teile, verschiedene Perspektiven kippen ineinenander, als ob im zeichnerischen Prozeß Aufsicht, Einsicht, Innensicht zusammen fielen :
Die Satzschleife Innen ist außen ist innen trifft ins Zentrum dieses zeichnerischen Werks. Die äußere Schau und die innere Landschaft fügen sich wie selbstverständlich zu einem unausdeutbaren Linien-Feld, zu einem unauflösbaren Ineineinander. In den Zeichnungen scheint die Vielheit des Einzelnen in die Schwebe gebracht als eine sich bis in die Ferne erstreckende Folge von sich ein- und ausdehnenden Linien, Unendlichkeit und Beginnlosigkeit sind eins. Zuzanna Skibas Zeichnungen sind Grenz- und Fließfiguren vom einem zum andern, und gerade das Offene, Fragmentarische, Unvollendete der Zeichnung korrespondiert präzise dem Transit zwischen Gestalt und Auflösung.
Die Serie der Magnetfelder gibt in sich selbst wirbelnde Formen, die Linien, die die Außenform hervorbringen, erzeugen zugleich in ihrem Binnenraum ein Kraftfeld, eine Bündelung von Energie, in dem die Grundprinzipien von Anziehung un Abstoßung, Annäherung und Distanz in prekäre und immer bewegliche Balance gebracht sind. Zuzanna Skibas mentale Karthographie treibt das Bild hervor – mit Hilfe seiner ureigenen visuellen Mitteln, schwingende Linie und zweidimensionale Fläche und ihr unauflösbares Widerspiel. Das Blatt wird zur (fremden) Gegend, mobilisiert, belebt, bewohnt durch die Zeichnung. Das Verfahren der Karthographie wird erweitert, verändert, auf dne Kopf gestellt: Zuzanna Skiba geht es nicht um Fixierung, sie gibt keine festgestellten, einsinnigen Ansichten, stattdessen läßt sie ihre Formen atmen, sich falten, oszillieren. Stete Veränderung und ein Augenblick im Jetzt. Was wir sehen scheint in ständiger Verwandlung, und dies auch und vor allem als Spur einer Bewegung/Aktion, durch die die Linie Zeit verräumlicht, das zeitliche Nacheinander in ein räumliches Beieinander, Sukzession in Simultaneität. transformiert: ein Kontinuum, das jedoch in der Mikro-Sicht aus deutlich unterschiedenen, sich unterscheidenden Linien besteht. Konzentriert und ausufernd erzeugen die Linien Rhythmen, Spannungsfelder, Variationen und Entzug.Vertieft in das Machen, in die Bewegung des Stiftes, ist für den Zeichner die endgültige Form nicht abzusehen - als visuellste Kunst ist die Zeichnung im Entstehen eigentlich augenlos – Sie entsteht aus dem Gedächtis und aus der Hingabe an das Jetzt des Tuns: Innenschau und Erinnerung bilden ihr Fundament. Mitunter überlagert Zuzanna Skiba die zeichnerische Struktur durch Farbe, das Strichgewebe wird in einen pulsierende Farbfläche eingebettet – umgekehrt wird der Farbraum durch die unterliegende Zeichnung gehalten und akzentuiert, es eröffnet sich ein komplexes Bildfeldpotential im Widerspiel von Malerei und Lineament.
Die dichten Felder, die mit Ausdehnung und Einziehung das Blatt strukturierten öffnen sich in letzer Zeit zu ringförmigen Gebilden, die Striche, die sie hervorbringen changieren in ihrer Intensität vom Grau zum Schwarz. Außen und Innen, Raum und Linie, Grund und Figur werden in diesen luftigen ‚Blasen’ noch einmal anders entfaltet, die Form schwebt, hebt ab, Papier und Zeichnung bestimmen sich in fragiler Identität. Im zeichnerischen Prozess ist die Linie beides: sie läßt die Form entstehen, sie ist Spur eines Subjekts.
Zuzanna Skibas Zeichnungen balancieren zwischen den Polen, sind zugleich Übergang und Grenze. Ihre Liniengebilde, die Materialität des Striches verwandeln sich in der Wahrnehmung in anschauliche Energie.
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Interviews in Ausnahmesituationen von Urszula Usakowska-Wolff _05.08.2020 | http://www.art-in-berlin.de/incbmeld.php?id=5454
”Je dramatischer einem das Leben begegnet, desto individueller kann die künstlerische Arbeit werden, wenn man sie kompromisslos ehrlich und authentisch betreibt. Das gibt einem die Möglichkeit, Ausnahmesituationen als ein Potential zu sehen, welches produktiv ausgeschöpft werden kann.”
Urszula Usakowska-Wolff: Spätestens seit Anfang März leben wir in einer Zeit, die von der Pandemie und den damit verbundenen Einschränkungen geprägt ist. Wie hat sich das auf Dich ausgewirkt?
Zuzanna Skiba: Ich fand diese Zeit ganz besonders und wünschte mir, im Jahr immer zwei Monate Lockdown zu haben. Normalerweise gibt es eigentlich zwischen Weihnachten und Silvester ein paar Tage, wo man eine Situation der Orientierung für einen Neustart hat.
Man bereitet sich darauf vor, etwas Neues zu entwickeln und man versucht, Dinge zu Ende zu bringen. Die vergangenen Wochen habe ich ebenso genutzt, um nachzudenken, um einfach mal innezuhalten und Konzentration neu zu entwickeln.
Das fehlt sehr oft im normalen Kunstbetrieb.
UUW: Welche Erkenntnisse hast Du dabei gewonnen?
ZS: Wenn man die Kunstgeschichte betrachtet, kann man ganz klar sagen, dass bemerkenswerte Arbeiten sich immer aus dem Leben entwickelt haben. Je dramatischer einem das Leben begegnet, desto individueller kann die künstlerische Arbeit werden, wenn man sie kompromisslos ehrlich und authentisch betreibt. Das gibt einem die Möglichkeit, Ausnahmesituationen als ein Potential zu sehen, welches produktiv ausgeschöpft werden kann.
UUW: Hast Du immer Muße zu malen?
ZS: Ich kann nur antworten: Ja, ich habe mein Thema, meine Haltung zum Werk, und das steht somit nie still. Ich mache manchmal eine Arbeitspause, aber das Leben geht ja immer weiter, und das Auge als ein wesentliches Werkzeug sieht ständig und nimmt alles auf,
ebenso wie der Geist, Korpus und der Habitus. Alles greift ineinander, und die Elemente funktionieren als Puzzleteile. Schließlich ist es ein fortlaufender Prozess, wie Werkserien. Ich entwickle ein Thema, eine Situation oder verfolge einen Gedankenstrang so lange, bis es wirklich ausgeschöpft ist. Dies kann Jahre dauern.
UUW: Du scheinst auch ein sehr geduldiger Mensch zu sein. In allen Situationen?
ZS: Ich denke schon. Krisengeprüft sind wir als Künstler sowieso, die künstlerische Arbeit erfordert viel Zeit und vor allem Geduld.
UUW: Du zeichnest von Hand, sozusagen aus dem Stegreif, ohne Vorlagen, ohne Radiergummi ...
ZS: Ja, die Konzentration muss stimmen.
UUW: Wieviel Zeit verbringst Du im Atelier?
ZS: Ich bin ein sogenannter schwarz-weiß Typ (lacht), sage ich mal. Es gibt Tage, wo ich hier täglich zehn Stunden verbringe; es gibt aber auch solche, wo ich einfach nichts mache, um mich wieder aufzuladen.
Aber wenn ich ins Atelier komme, brauche ich zunächst zwei bis drei Stunden, um alles zu vergessen. Ich denke nach, erledige Telefonate und Organisatorisches, trinke Espresso. Eigentlich muss ich alles erledigen und mich komplett entleeren, um gut in die Arbeit einzusteigen.
UUW: Woran arbeitest Du gerade?
ZS: Es ist so, dass ich tatsächlich während des Lockdowns eine neue Werkserie angefangen habe. Ich habe viele Jahre gezeichnet, wobei die Serie entstand, die ich Magnetfelder nenne. Dann habe ich mehr gemalt und Zeichnungen auf die Malerei gemacht. Während des Lockdowns habe ich angefangen, dies umzudrehen und Malerei auf die Zeichnung zu setzen. Die neue Serie heißt Himmelschichten. Die Basis ist nach wie vor immer eine surreale Landschaftssituation.
Ich betrachte die Welt von oben wie ein Vogel, ich nehme die Landschaft aus der Froschperspektive wahr, wechsle die Sicht, mache ein Luftbild daraus, und lege das Magnetfeld sowie andere Flächen darauf.
UUW: Deine Bilder wirken wie Reliefs. Wie erreichst Du diese räumlichen Effekte?
ZS: Meine Bilder haben vier oder fünf visuelle Ebenen. Sie entwickeln sich aus einer realen Landschaft über das Wechseln der Perspektive zu einem abstrakten Gebilde. Ich arbeite mit Ölfarbe, nehme die Kruste, die sich auf dem Farbtopf bildet, einfach mit. Dadurch ergibt sich diese starke Materialität. Außerdem baue ich meine Leinwände nach der alten italienischen Art auf: erst einmal eine gute Grundierung und das Pompejanisch Rot drauf. Dadurch steht die Farbe einfach viel besser. Neulich besuchte mich eine Restauratorin, die sagte, dass durch meine Arbeitsweise mein Bild circa 100 Jahre braucht, um richtig durchzutrocknen. Das ist eine schöne Metapher für die vielen, vielen Schichten, die sich über Jahre entwickeln und stets lebendig sind, weil sie immer noch duften. Sie sagte: „Trocknungsdauer = ein Malerleben.“
UUW: Arbeitest Du sehr lange an einem Bild?
ZS: Ich arbeite immer an mehreren Bildern gleichzeitig. Einige trocknen, einige sind im Zwischenstadium und warten, bis sie wieder dran sind. Normalerweise sind sie hier überall verteilt: auf dem Boden, auf der Staffelei, an der Wand. Wegen Deines Besuchs habe ich einiges weggeräumt.
UUW: In welcher Position arbeitest Du meistens – und wovon hängt das ab?
ZS: Das hängt von der Konsistenz der Farbe ab. Wenn die Farbe richtig fließt, male ich auf dem Boden im Stehen. Wenn ich aber eine Farbe mische und sie ziemlich fest ist, kann ich das Bild an der Wand oder auf der Staffelei lassen. Ich bin eigentlich ein klassisches Malschwein (lacht).
UUW: Fällt es Dir schwer, ein Bild zu beenden, oder wird es nie fertig?
ZS: Nein, nein, meine Bilder sind irgendwann fertig. Aber wenn ein Bild in meinen Augen zu ästhetisch daherkommt, muss ich noch ran. Hier zum Beispiel war eine grüne Landschaft mit grauen Wolken. Dann habe ich das Bild umgedreht, den Himmel und die Landschaft mit einer Form verbunden, die ich aus der Magnetfeldstruktur entwickelte. Durch diese Form haben sich plötzlich zwei Flügel ergeben. Das Ganze scheint jetzt tänzerisch, leicht, rhythmisch zu sein. Ich habe das Bild Bergflügel genannt. Es gibt Bilder, die für mich als Meilensteine funktionieren, wo ich sehe, da fängt etwas Neues an. Es muss im Bild während der Arbeit einen Moment geben, wo ich mich komplett verliere, wo ich nicht mehr genau weiß, was ich mache. Dann gibt es diesen Punkt, an dem eine vollkommene Korrespondenz zwischen mir und dem Bild besteht. Wenn also das Bild von alleine wächst und autonom wird, ist es meiner Meinung nach fertig.
UUW: Wie ich sehe, hast Du jetzt auch die Rundbilder – Tondi – in Dein Repertoire aufgenommen. Ist das der Beginn einer neuen Werkserie?
ZS: Die Rundbilder sind ein bisschen aus der Not heraus entstanden. Das sind eigentlich italienische Käsebehälter, die für mich zu Kosmosobjekten werden.
UUW: Oh! Jetzt kommen wir den Geheimnissen der Kunstproduktion auf die Schliche ...
ZS: Genau (lacht). Ich sammle dies und das. Wenn ich arbeiten möchte, muss ich alles um mich haben, und ich liebe es, aus dem Vollen zu schöpfen. Wenn ich eine Idee habe, muss alles vorhanden sein, um sie künstlerisch umzusetzen.
In dem Bioladen, wo ich einkaufe, sah ich diese fantastischen Käsebehälter aus Holz. Sie werden jetzt nicht mehr weggeworfen, sondern für mich aufbewahrt. Meine Arbeiten haben ja auch etwas kosmisches, so eignet sich diese runde Form gut dafür.
Einige habe ich bereits verkauft.
UUW: Du hast Deine berufliche Laufbahn als Kartographin begonnen, doch dann hast Du Dich für die Kunst entschieden. Warum?
ZS: Da spielen mehrere Dinge eine Rolle. Ich habe in Bielefeld und in Bad Godesberg die Kartographie-Ausbildung absolviert. Dabei übt man extrem das abstrakte Denken. Das heißt, man hat zum Beispiel am Anfang nur eine topographische zweidimensionale Darstellung mit Nummern und Höhenlinien. Aus diesen Daten muss man eine Geländeschummerung erstellen, bei der eine 3D-Räumlichkeit entsteht. Das alles hat mir sehr viel Spaß gemacht, aber es war für mich klar, ich will stärker in die Abstraktion gehen und das kann ich nur in der Freien Kunst. Die Ausbildung war sozusagen ein Vorgeschmack auf meine künstlerische Laufbahn. Aber der philosophische Ansatz der Kartographie, die Welt von oben zu begreifen, hat sich bei mir verfestigt. Und außerdem habe ich den kartographischen Zeichenschlüssel der Geländeschraffur zum Grundthema meines Werkes gemacht.
UUW: Der Beruf des Kartographen gehört nun der Geschichte an, denn auch die Karten werden heute digital gefertigt.
ZS: Genau, heute nennt man sie Geoinformatiker. Früher war die Kartographie eine hohe Kunst. Man hat nicht nur Karten gezeichnet, sondern sie mit Darstellungen von Menschen, Tieren und Pflanzen versehen. Der Kartograph war zuerst ein angesehener Künstler, dann ein Handwerker, und nun ist er ein Ingenieur. In der Kunst sieht man heute, dass sich die Künstler wieder mit der Verortung, Vermessung und dem Thema der Grenzen auseinandersetzen. Ich glaube, das ist auch ein Ausdruck des Zeitgeistes, sich Fragen zu stellen:
„Wo will ich hin? Was sehe ich gerade? Wie geht es hier und heute und in der Zukunft weiter? Wie kann ich das visualisieren?“ Das sind alles Dinge, die man für die künstlerische Arbeit ganz existentiell braucht.